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Erstes Register für Patient*innen mit Hörstörung durch Otoferlin-Varianten

Patient*innen mit Hörstörung, bei denen Varianten im Otoferlin-Gen (OTOF) als Krankheitsursache nachgewiesen wurden, haben nun die Möglichkeit, sich in einer speziellen Datenbank an der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) registrieren zu lassen. Das gemeinschaftlich vom Institut für Humangenetik und dem Institut für Auditorische Neurowissenschaften geführte Otoferlin-Register bringt auf diesem Wege Patient*innen mit Wissenschaftler*innen zusammen, die seit vielen Jahren verschiedene Formen der Schwerhörigkeit, ihre genetischen Ursachen und mögliche neue Therapieansätze intensiv erforschen.

In der Datenbank können sich betroffene Erwachsene und Kinder bzw. Minderjährige (mit Zustimmung der Eltern) registrieren. Es werden Informationen über die medizinische Vorgeschichte, den Verlauf der Hörstörung, die Behandlung sowie die genetischen Daten der betroffenen Person erfasst und gemäß der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in pseudonymisierter Form ausgewertet und gespeichert. Ziel der unter der Leitung von PD Dr. Barbara Vona durchgeführten Studie ist es, neue Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf dieser spezifischen Form der Schwerhörigkeit zu gewinnen und zur Entwicklung neuer therapeutischer Ansätze beizutragen. Die Patient*innen haben die Möglichkeit, sich automatisch über künftige neue Studien und verfügbare Therapien an der UMG informieren zu lassen.

Hörstörungen gehören zu den häufigsten angeborenen Erkrankungen. Die Mehrzahl dieser angeborenen Hörstörungen geht auf genetische Ursachen zurück. Man kennt heute bereits Tausende von Varianten in über hundert Genen, die Hörstörungen hervorrufen. Eines dieser Gene ist OTOF. Es trägt die Information zur Herstellung von Otoferlin, einem Protein, das in den Haarzellen des Innenohrs vorkommt und benötigt wird, damit der Hörimpuls von der Haarsinneszelle an die Zellen des Hörnervs übertragen werden kann.

Patient*innen, die sich im Otoferlin-Register eintragen möchten, erhalten auf einer speziellen Webseite zunächst ausführliche schriftliche Informationen zum Download und können dann über ein verschlüsseltes System online eine Einverständniserklärung sowie einen Fragebogen ausfüllen und gegebenenfalls Arztbriefe und Befunde hochladen.

Die Registerstudie wurde von der Ethikkommission der Universitätsmedizin Göttingen genehmigt.

Kontakt: PD Dr. Barbara Vona, barbara.vona@med.uni-goettingen.de

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Homozygote AXIN1-Varianten beeinflussen die Knochenhomöostase und verursachen eine bislang unbeschriebene seltene Skeletterkrankung

Angeborene seltene Skeletterkrankungen sind Entwicklungs- und Wachstumsstörungen des Knochen- und Knorpelgewebes. Meist durch genetische Veränderungen verursacht, manifestieren sich diese Erkrankungen entweder ausschließlich in Form von Fehlbildungen des Skeletts oder sie treten als charakteristische Kombinationen von Symptomen auf, bei denen auch andere Gewebe mitbetroffen sind. In einer Kollaboration unter der Federführung von Professor Uwe Kornak am Institut für Humangenetik Göttingen konnten nun Forschungsteams aus Deutschland, Österreich, den Niederlanden, Saudi-Arabien und den USA die genetische Ursache für eine bislang nicht beschriebene spezifische Skeletterkrankung entschlüsseln. In ihrer Studie fanden sie homozygote Varianten im AXIN1-Gen bei 7 Patient*innen im Alter zwischen 3 Monaten und 15 Jahren. Diese zeigten radiologisch und klinisch ein Krankheitsbild mit einer generell erhöhten Knochenmineraldichte, einer übermäßigen Vermehrung des Knochengewebes des Schädels, einem überdurchschnittlich großen Kopfumfang (Makrozephalie), einer Fehlbildung der Hüftgelenke sowie einer unterschiedlich starken Entwicklungsverzögerung.

Die Forschenden untersuchten die Auswirkungen der identifizierten Varianten sowohl in Patientenzellen als auch in Zellen, die sie mittels Genomeditierung so verändert hatten, dass sie ebenfalls die gefundenen Varianten im AXIN1-Gen enthielten. Ihre Analysen zeigten, dass die genetischen Veränderungen zu einer geringeren Menge an funktionsfähigem AXIN1-Protein führen und für eine verstärkte Aktivierung des Wnt-Signalwegs sorgen.

AXIN1 ist eine zentrale Komponente in der Regulierung des Beta-Catenin-abhängigen Wnt-Signalwegs. Dieser Signalweg steuert grundlegende Zellprozesse während der embryonalen Entwicklung und spielt auch eine wichtige Rolle für das Gleichgewicht zwischen Auf- und Abbau von Knochengewebe. AXIN1 wurde zwar bereits intensiv erforscht, aber es waren bislang keine Keimbahnvarianten dieses Gens beim Menschen beschrieben worden. Die Ergebnisse der aktuellen, im American Journal of Human Genetics veröffentlichten Studie legen nun nahe, dass AXIN1 die Aktivität von Osteoblasten und Osteoklasten beeinflusst. Diese beiden Zelltypen sorgen in einem streng regulierten Zusammenspiel für den Aufbau (Osteoblasten) und Abbau (Osteoklasten) von Knochengewebe.

Seltene Skeletterkrankungen, die Entschlüsselung ihrer genetischen Ursachen und molekularen Mechanismen sowie die Entwicklung spezifischer gentherapeutischer Ansätze sind ein Forschungsschwerpunkt der AG Kornak am Institut für Humangenetik Göttingen. Neue Erkenntnisse aus dieser Forschung fließen dabei unmittelbar in die klinische Versorgung an der Universitätsmedizin Göttingen: „In unserem spezialisierten Zentrum für Seltene Skeletterkrankungen Göttingen bieten wir Patient*innen und ihren Familien individuelle Beratung, eine schnelle klinische, labormedizinische und humangenetische Diagnostik und den Zugang zu spezifischen Therapien. Durch unsere Forschungsaktivitäten wollen wir dazu beitragen, dass neue Behandlungsansätze entwickelt und in der klinischen Praxis umgesetzt werden können“, so Professor Kornak.

AXIN1 bi-allelic variants disrupting the C-terminal DIX domain cause craniometadiaphyseal osteosclerosis with hip dysplasia
Terhal P, Venhuizen AJ, Lessel D, Tan WH, Alswaid A, Grün R, Alzaidan HI, von Kroge S, Ragab N, Hempel M, Kubisch C, Novais E, Cristobal A, Tripolszki K, Bauer P, Fischer-Zirnsak B, Nievelstein RAJ, van Dijk A, Nikkels P, Oheim R, Hahn H, Bertoli-Avella A, Maurice MM, Kornak U.
Am J Hum Genet 2023 Aug 9:S0002-9297(23)00251-3. doi: 10.1016/j.ajhg.2023.07.011. Epub ahead of print.

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Biallelische trunkierende Varianten des FILIP1-Gens verursachen neues Krankheitsbild mit Arthrogryposis und Mikrozephalie

visual-hompage-filip1-de

Homozygous loss-of-function variants in FILIP1 cause autosomal recessive arthrogryposis multiplex congenita with microcephaly
Schnabel F, Schuler E, Al-Maawali A, Chaurasia A, Syrbe S, Al-Kindi A, Bhavani GS, Shukla A, Altmüller J, Nürnberg P, Banka S, Girisha KM, Li Y, Wollnik B, Yigit G
Hum Genet. 2023 Mar 21. doi: 10.1007/s00439-023-02528-2. Epub ahead of print.

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Zelluläre Seneszenz wirkt günstig auf zellmechanische Faktoren in der Regeneration von Geweben

Neue Erkenntnisse, wie seneszente Zellen nicht nur über die Ausschüttung von Botenstoffen, sondern auch durch zellmechanische Effekte eine Rolle in Wundheilungsprozessen spielen, liefert eine neue, an der Berliner Charité durchgeführte und im Fachjournal Aging Cell publizierte Studie. Unter Federführung von Uwe Kornak, Professor am Institut für Humangenetik Göttingen, und Ansgar Petersen, Professor am Julius-Wolff-Institut der Charité-Universitätsmedizin Berlin, fanden die Wissenschaftler*innen erstmals heraus, dass zelluläre Seneszenz auf zellmechanische Eigenschaften und die Bildung und Zusammensetzung von extrazellulärer Matrix (ECM) einwirkt und so die Gewebebildung günstig beeinflusst.

Seneszenz ist ein mehrstufiger Prozess, bei dem Zellen von einem temporären Stopp im Zellzyklus als Reaktion auf verschiedene Stressfaktoren und Schädigungen in einen irreversiblen Zustand übergehen, in dem sie sich nicht mehr teilen können. Solche seneszenten Zellen sterben nicht ab, sondern bleiben stoffwechselaktiv und schütten eine charakteristische Kombination von Proteinen und Botenstoffen aus, die auf die Umgebung der Zelle, die extrazelluläre Matrix, und benachbarte Zellen einwirken. Die Anhäufung von seneszenten Zellen trägt zum Prozess der Alterung und der Entstehung altersassoziierter Erkrankungen bei und wird aus diesem Blickwinkel auch am Institut für Humangenetik intensiv erforscht. Es gibt jedoch auch einen positiven Aspekt der zellulären Seneszenz: Das kurzzeitige Auftreten von seneszenten Zellen ist nützlich für die Heilung und Vernarbung von Wunden. Bislang war jedoch nicht bekannt, dass die Seneszenz über die Ausschüttung von Signalstoffen hinaus eine direkte Rolle während der Gewebebildung spielt.

Die Forschenden nutzten ein spezielles In-vitro-Wundheilungsmodell mit kultivierten Fibroblasten, in denen sie auf zwei unterschiedlichen Wegen (über DNA-Schädigungen bzw. mittels Überexprimierung von Zellzyklus-Hemmproteinen) zelluläre Seneszenz auslösten. Dann erforschten sie die jeweiligen Auswirkungen im Hinblick auf die Migration, Morphologie und Adhäsion von Zellen. Dabei stellten sie u.a. fest, dass die zelluläre Seneszenz für eine Veränderung der Größe und Zusammensetzung von Fokaladhäsionen sorgte. Diese Multiproteinstrukturen verankern die Zelle an der extrazellulären Matrix und sind zuständig für die zelluläre Kraftübertragung. In allen seneszenten Zellen konnten außerdem größere Einzelzellkräfte gemessen werden. Im Gegensatz zur Seneszenz durch Zellzyklus-Hemmproteine wirkten bei der durch DNA-Schädigung induzierten Seneszenz jedoch degenerative Veränderungen der ECM der Kontraktion in 3D-Kulturen entgegen. Je nach der Form der Seneszenz, ließen sich also unterschiedliche, auch gegenläufige Effekte auf Gewebebildung, -kontraktion und -spannung beobachten. Neben den mechanischen Einflüssen zeigten sich auch unterschiedliche Expressionsprofile für Gene, die für ECM-relevante Proteine wie Kollagene, Lysyloxidasen und Matrixmetalloproteinasen kodieren.

Kontakt: Prof. Dr. med. Uwe Kornak, uwe.kornak@med.uni-goettingen.de

Ozen A, Brauer E, Lange T, Keller D, Görlitz S, Cho S, Keye J, Gossen M, Petersen A, Kornak U. Dissecting the influence of cellular senescence on cell mechanics and extracellular matrix formation in vitro. Aging Cell. 2022 Dec 13:e13744. doi: 10.1111/acel.13744. Epub ahead of print.

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